Heimerziehung in der Kaiserswerther Diakonie Zwischen 1833 und den 1960er-Jahren

Das Buch „Schläge im Namen des Herrn“ von Peter Wensierski brachte 2006 einen Stein ins Rollen und löste eine öffentliche Diskussion zur Situation der Heimkinder zwischen 1949 und 1975 aus. Die mutigen Berichte vieler ehemaliger Heimkinder legten Zeugnis davon ab, dass als problematisch empfundene Heimaufenthalte in dieser Zeit keine Einzelfälle waren.

Viele dieser Heime waren in kirchlicher Trägerschaft – auch in Trägerschaft der heutigen Kaiserswerther Diakonie. 

Neben eingerichteten Hilfsfonds für Betroffene der Kirchen richtete die Bundesregierung den Runden Tisch Heimerziehung zur Aufarbeitung und Entwicklung von Hilfen für Betroffene ein. 

Aufarbeitung bei der Kaiserswerther Diakonie

Die Kaiserswerther Diakonie brachte sich in den Prozess der Aufarbeitung ein und begann bereits vor vielen Jahren mit der historischen Aufarbeitung der Heimkinder-Thematik. 

Im Frühjahr 2012 bekannten sich die Kaiserswerther Diakonie und die Kaiserswerther Schwesternschaft in einer gemeinsamen Erklärung zu der Verantwortung für das damals Geschehene und baten bei den Betroffenen um Vergebung für das erfahrene Leid. 

Bei der geschichtlichen Aufarbeitung unterstützte die Fliedner-Kulturstiftung durch Dr. Norbert Friedrich und sein Team aktiv und stellte beispielsweise aus dem Archiv Unterlagen zur Verfügung. 

Als vergleichsweise kleiner Träger der Erziehungshilfe erhielt die Kaiserswerther Diakonie nur wenige Anfragen ehemaliger Heimkinder. Zu einem Studientag „Ehemalige Heimkinder“ kamen 2012 rund 20 ehemalige Heimkinder. Programmpunkte waren neben einer Vorstellungsrunde und einem Tischgespräch mit ehemaligen Heimkindern Fachvorträge sowie Diskussion und Aussprache. Anschließend endete ein Rundgang über das historische Gelände mit einem Besuch einer Wohngruppe der Jugendhilfe.

Ihre Ansprechpartner:innen Simone Schulte-Zier ist Ansprechpartnerin für Betroffene. Ansprechpartner für geschichtliche Fragen ist Dr. Norbert Friedrich.

Simone Schulte-Zier

Pädagogisch-therapeutische Beratung

Dr. Norbert Friedrich

Leiter der Fliedner Kulturstiftung

Heimerziehung in der Kaiserswerther Diakonissenanstalt Frühere Heime und Einrichtungen

Die Kaiserswerther Diakonie, früher „Kaiserswerther Diakonissenanstalt“ ist seit 1833 in der Erziehungsarbeit tätig. Mit der Aufnahme der jugendlichen Mina Enders in das Gartenhaus des Pfarrhauses von Theodor und Friederike Fliedner begann im September 1833 die Fürsorge- und  Erziehungsarbeit der Kaiserswerther Diakonie, früher „Kaiserswerther Diakonissenanstalt“.

Die Arbeit mit sogenannten „erziehungsschwierigen“ Kindern und Jugendlichen und die Betreuung von Waisenkindern in Heimen gehörten dazu. Daraus entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten eine umfangreiche erzieherische Arbeit, die Kindergärten und Schulen, Waisenhäuser und Kinderheime sowie Häuser der Fürsorgeerziehung umfasste. Im Mittelpunkt standen die Betreuung und Versorgung von Mädchen und Frauen.

In der Heim- und Fürsorgeerziehung haben Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der heutigen Kaiserswerther Diakonie bis in die Nachkriegszeit hinein Leid und Unrecht erfahren. Erst seit die Betroffenen den Mut haben, über ihre Erlebnisse zu sprechen, wird klar, welche schlimmen Erlebnisse und Traumata sie erdulden mussten, deren Folgen bis heute nachwirken.

Die Erziehungseinrichtungen der früheren Kaiserswerther Diakonissenanstalt Hier finden Sie einen Überblick, welche Erziehungseinrichtungen zur früheren Kaiserswerther Diakonissenanstalt gehörten

Seit 1918 bestand in Kaiserswerth ein Kriegswaisenhaus, welches 1926 in das Haus in der Friedrich-von-Spee-Straße verlegt wurde. Dort waren das Barbarossaheim sowie die Barbarossaschule untergebracht. In den fünfziger und sechziger Jahren war es eines der beiden großen Kinderheime in Kaiserswerth.

Zwischen 1927 und 1967 bestand das Kinderheim am Markt. Zu Beginn war es verbunden mit einem Säuglingsheim und einer Kinderpflegerinnenschule. Die ärztliche Versorgung erfolgte über die Kinderklinik der Diakonissenanstalt. Nachdem die Einrichtung zeitweise geschlossen und evakuiert war, wurde die Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen. Bauliche Mängel, personelle Engpässe und eine sich  verändernde Pädagogik führten zur Aufgabe des Hauses.

Die Kaiserswerther Mädchenheime bestanden als Einrichtungen der Erziehungshilfe von Beginn an. 1946 bot die Kaiserswerther Diakonissenanstalt rund 200 Plätze in den drei großen Häusern Eben-Ezer, Katharina-Göbel und Friederikenstift.

Bereits seit 1962 hatte die Kaiserswerther Diakonissenanstalt in dem aus der Jahrhundertwende stammenden Haus Eben-Ezer einen Förderschwerpunkt für junge Mädchen eingerichtet. Seit 1970 hieß das Haus „Comeniushaus“. Hier sollten 14- bis 18-jährige Mädchen in einem einjährigen Kurs beruflich qualifiziert sowie schulisch und pädagogisch gefördert werden. Ein Internatszweig gehörte ebenfalls dazu. Neben hauswirtschaftlichen, handwerklichen und kreativen Angeboten stand die sozialpädagogische Begleitung und Betreuung im Mittelpunkt. Mit dem Lehrgang 1980/81 wurde das Comeniushaus geschlossen. 

Seit 1908 gehörte das Kinderheim in Niederdollendorf am Rhein zur Kaiserswerther Diakonissenanstalt. Erst 1964 wurde die Arbeit an einen eigenen Verein abgegeben, der noch heute den „Probsthof“ betreibt.

Kaiserswerther Diakonissen waren in vielen Kirchengemeinden, Krankenhäusern und Erziehungseinrichtungen tätig. Darüber hinaus gab es Einrichtungen, in denen die Kaiserswerther Schwestern im Gestellungsvertrag Dienst taten. In vielen Kirchengemeinden nicht allein im Rheinland arbeiteten Kaiserswerther Diakonissen, in Kindergärten und Gemeindestationen, in Krankenhäusern und Kinderheimen. Im Archiv der Fliedner-Kulturstiftung gibt es eine Aufstellung sämtlicher Außenstationen.